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Lesetipp:
Schwerpunkte




Erzählwettbewerb 2010: Einsichten/Aussichten









> Wer, was, wann, wo?
> Die Gruppe
> Sonja Klose: Angriff der LUGARUU
> Laura Schnell: Weit oben und tief unten
> Julian Beck: Ausflug in eine andere Welt
Wer, was, wann, wo?
Selber Geschichten erfinden zum schwierigen Thema „Einsichten / Aussichten“ und das auf zwei Seiten erzählen –  zum zweiten Mal hatten die Schüler und Schülerinnen der Klassenstufe 7 diese Möglichkeit, kreativ zu sein. Aus allen sechs Parallel-Klassen wurden die besten Geschichten abgeliefert und von Schülerinnen des Deutsch-Leistungskurses 12/Gött anonym bewertet.


Mit großem Abstand ging daraus als beste Geschichte der „Angriff der Lugaruu“ von Sonja Klose (7f) hervor. So wird Sonjas Text die Dreieichschule auf die nächste Ebene vertreten, auf der im Mai/ Juni die besten Geschichten der Schulen in der Stadt und im Kreis Offenbach ermittelt werden. Voraussichtlich am 14.6. um 17.00 Uhr ist dann die große Siegerehrung samt Lesung der drei Spitzen-Geschichten im Bücherturm der Stadtbibliothek Offenbach.

Zweitbeste Geschichte war „Weit oben und tief unten“ von Laura Schnell (7 b), und den dritten Platz erreichte Julian Beck (7c) mit seinem „Ausflug in eine andere Welt“.
Herr Zotz, Schulleiter der Dreieichschule, beglückwünschte die Preisträger und überreichte Büchergutscheine, die dankenswerterweise wieder vom Förderverein gestiftet worden waren.


Einziger Wermutstropfen dieser gelungenen Aktion: Neun der zehn besten Geschichten waren von Mädchen geschrieben – diese Sprachlosigkeit der Jungen fordert Ideen von den Deutschlehrern/innen für den Wettbewerb im nächsten Jahr: Brauchen wir vielleicht eine Jungen-Quote oder ein Thema, das Jungen mehr anspricht?   
Gez.: W. Tschorn
Die Gruppe mit den Preisträgern (v.l.) Julian, Sonja und Laura
eingerahmt von Koordinator Dr. Wolfgang Tschorn (ganz links) und Schulleiter Bernhard Zotz.

Angriff der LUGARUU





Sonja Klose, Jgst. 7
Sonja

Das Herz schlug mir bis zum Hals und ich wusste, wenn ich jetzt irgendein Geräusch oder eine unbedachte Bewegung machte, würden sie mich sehen. Was dann mit mir passieren würde, daran wollte ich lieber gar nicht erst denken.
Was wohl meine Freunde denken würden, wenn ich entdeckt würde und nicht zurück käme? Das alles und noch ein paar andere Dinge schossen mir durch den Kopf, während ich hoch oben aus einem Baum beobachtete, wie hunderte, nein tausende, grimmig aussehende und gänzlich in Fell gekleidete Männer vorbei ritten.
Zwischen den Kriegern fuhren auch vereinzelt von Pferden gezogene Vorratswagen.


Wie Wasser in einem Fluss schlängelte sich dieses Heer durch die umliegenden Berge. Für eine so große Ansammlung von Menschen war es erstaunlich still, genau genommen hörte man nur das rhythmische Trommeln der Pferdehufe und dann und wann barsche Befehle.
Ich begriff, dass ich hier so lange festsitzen würde, bis wirklich alle Lugaruu vorbei waren und musste einen resignierten Seufzer unterdrücken.

Ich war mir ziemlich sicher, dass das, was ich hier sah, die Bewohner der östlichen Steppe waren, denn sie besaßen alle eine leicht gebräunte Haut und schräg stehende, zu Schlitzen verengte Augen, also die typischen Merkmale der Lugaruu.
Innerlich stellte ich mich auf eine lange Wartezeit ein, ich konnte nur beten, dass sie nicht vorhatten hier ihr Lager aufzuschlagen, denn die Sonne war schon fast hinter dem Horizont verschwunden und tauchte die gesamte Umgebung in warmes orange-rotes Licht.
Um mich abzulenken, rief ich mir in Erinnerung, wie ich hier auf dem Baum gelandet war. Also eigentlich hatte ich nur meinen üblichen Rundgang gemacht, als ich plötzlich ein leichtes Beben unter meinen dünnen Lederstiefeln gespürt und ein Geräusch wie von Wellen, die langsam anrollen, oder ein entferntes Donnergrollen gehört hatte. So ein Geräusch hatte ich noch nie zuvor gehört, aber mein Instinkt hatte mir zur Vorsicht geraten und so war ich auf den Baum geklettert, um besser sehen zu können, ohne selbst gesehen zu werden.


Angespannt vertiefte ich mich wieder in das Bild, das sich mir bot, und fing ganz unbewusst an die Reiter zu zählen.
Die Nacht war schon weit fortgeschritten, als endlich der 4011te und damit letzte Reiter endlich verschwunden und das Trommeln der Hufe verklungen war. Zutiefst erleichtert ließ ich mich zu Boden fallen und blieb erst einmal liegen, damit sich meine verspannten Muskeln etwas lockern konnten. Aber dann sprang ich seufzend auf und griff nach meinem Bogen. Wenn ich den Anführer der Nordländer, Oberjarl Erak, warnen wollte, dann musste ich sofort aufbrechen und die ganze Zeit durchreiten. Und selbst dann würde ich den ganzen nächsten Tag und die ganze Nacht brauchen. Rasch lief ich zu der Stelle, wo ich mein Pony Blitz zurückgelassen hatte, schwang mich in den Sattel und jagte los.


Die Sonne ging gerade auf, als ich in Hallasholm ankam und zum Haus meines Onkel Erak ritt. Als ich aus dem Sattel sprang, wieherte mein Pony einmal und brach dann erschöpft zusammen. Ich war froh, dass es bis jetzt durchgehalten hatte. Ein Sklave kümmerte sich um Blitz und brachte ihn in den Stall, während ich gleich weiter zum Hauptgebäude rannte. Die Wachen nickten mir zu, als ich den großen Saal betrat. Wie erwartet saß Erak trotz der frühen Stunde auf seinem Thron-ähnlichen Holzstuhl und unterhielt sich mit seinen Beratern. Als ich hereinplatzte, sah er überrascht auf und fragte: „Was ist denn los, Evanlyn? Ist etwas passiert?“ Erschöpft antwortete ich: „Lugaruu .... tausende .... in den Bergen..... beim Schlangenpass! Sie ziehen in Richtung Norden, also direkt auf uns zu.“

„Was? Das kann nicht sein! Bist du dir sicher?“, rief Ragnar, einer der fünf Berater erschrocken aus. „Aber ja doch! Ich habe sie mit eigenen Augen gesehen!“, gab ich zurück. „Wir müssen etwas tun!“

In den folgenden Stunden jagte eine Beratung die nächste. Vorschläge wurden diskutiert und wieder verworfen. Am Ende wurde einer meiner Vorschläge angenommen und ich machte mich sofort an die Arbeit. Zwei Boten wurden losgeschickt, um die Zwillinge Ayani und Arawynn zu holen, die mir bei meiner Aufgabe helfen sollten.

Einige Zeit später trafen wir uns auf einem Feld nahe der Stadt. Zufrieden stellte ich fest, dass die zwei nicht allein gekommen waren. Hundert junge Männer, die alle mit Bogen bewaffnet waren, starrten mich neugierig an. „Also, was willst du jetzt mit diesen Männern?“, fragte Ayani neugierig. „Bogenschießen üben!“, kam meine prompte Antwort.

Erstaunt bemerkte ich ihre verständnislosen Blicke und meinte verblüfft: „Sagt bloß, ihr habt noch nichts davon gehört? Es wird Krieg mit den Lugaruu geben!“ „Was? Wieso? Wann? Warum?“ Schnell erzählte ich ihnen, was ich gesehen und was ich mit den Beratern besprochen hatte. Ihr Entsetzen war fast mit den Händen zu greifen. Arawynn fand als erster die Sprache wieder: „Also willst du wirklich eine Einheit Bogenschützen ausbilden? Und was sollen wir dabei tun?“, fragte er mit leicht bebender Stimme.


„Wartet's ab!“ Und mit diesen Worten stieg ich auf einen Baumstamm, der eigens dafür hergebracht worden war und rief: „Männer! Ruhe! Vielleicht haben einige von euch die Nachricht schon gehört – es wird Krieg geben und ich habe die Aufgabe euch als Bogenschießeinheit auszubilden.“
Da erschallte eine Stimme und rief: „Und warum sollten wir auf ein Mädchen hören, noch dazu auf ein so junges?“ Zustimmendes Gemurmel war zu hören. „Ganz einfach: weil ich eine Atabi bin“, gab ich ruhig zurück. „Du willst eine Atabi sein? Es gibt keine Mädchen unter ihnen!“ Ich gab keine Antwort, sondern nahm blitzschnell einen Pfeil aus meinem Köcher, legte an und schoss dem Sprecher seinen Bogen aus der Hand. Der schrie überrascht auf und sprang erschrocken zurück.

Die Atabi waren ein geheimnisvoller Bund, über den niemand so wirklich etwas wusste. Aber was man wusste war, dass sie herausragende Bogenschützen und Meister der Tarnung waren. Die meisten Leute hatten Angst vor ihnen, da sie die Atabi mit Hexerei und schwarzer Magie in Verbindung brachten.
Eine Woche übten wir die vier verschiedenen Stellungen der Bogenhaltung beim Abschuss des Pfeiles, Einzel- und Gruppenschießen.
Der Schlachtplan sah so aus: Ich würde die Stellung ansagen und den Schießbefehl geben, Ayani würde mir sagen, wenn die Schützen wieder schussbereit waren, da ich die Feinde im Auge behalten musste. Arawynn sollte die Schildträger, die die Bogenschützen vor feindlichen Pfeilen abschirmen sollten, befehligen und dazu noch mich mit seinem Schild schützen.

Der Tag der Schlacht war gekommen und wir warteten schon seit Sonnenaufgang auf der Ebene von Uthal.
Plötzlich erklang ein Horn und einige Minuten später sah ich, wie die Lugaruu in kleinen Gruppen erst mit Pfeil und Bogen und dann mit ihren Krummsäbeln angriffen, während die Nordländer nur mit langen Streitäxten kämpften. Jetzt war unser Einsatz gefragt und ich rief: „Halb rechts, Stellung eins..... Los!“ Und schon flog die erste Salve und richtete großen Schaden unter den Angreifern an. Aber dennoch dauerte es nicht lange, bis die Lugaruu eine Bresche in unsere Reihen gesprengt hatten und wüteten nun ganz in unserer     Nähe. Zu Ayani gewandt rief ich: „Sie dürfen die Bogenschützen auf keinen Fall erreichen! Denn von uns kann Sieg oder Niederlage abhängen!“ Ich hoffte, sie gab es an die anderen weiter und verhinderte somit das Schlimmste. Wir machten mit dem Beschuss weiter, dadurch war ich abgelenkt und bemerkte den Lugaruu erst, als Ayani einen Schrei ausstieß.

Entsetzt sah ich, dass er vor Ayani stand und gerade zum Todesstoß ausholte. Ayani aber schaute nur zu Arawynn und mir und lächelte. Und in diesem Lächeln lagen all die Jahre unserer Freundschaft, so als wolle sie sich von uns verabschieden. Arawynn schrie verzweifelt auf und ich hatte schon einen Pfeil an der Sehne und schoss. Angespannt beobachtete ich die Flugbahn des Pfeils, es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis er sein Ziel erreichte. Mit einem leisen Seufzen brach der Krieger zusammen und Ayani fing an zu schluchzen. Da ich sah, dass Arawynn drauf und dran war zu seiner Schwester zu laufen sagte ich: „Nein, wir müssen weiter machen! Tut mir Leid...“


So nahm die Schlacht ihren Lauf mit großen Verlusten auf beiden Seiten. Wir hatten schon Stunden gekämpft, viele Bogenschützen waren gefallen und die Pfeile gingen uns langsam aus, als plötzlich wieder ein Horn erklang und die Lugaruu sich zum Rückzug wandten.
„Sie ziehen sich zurück!“, rief Arawynn verblüfft aus. „Sie müssen wohl eingesehen haben, dass es keinen Sinn hat weiter zu kämpfen. Sie haben verloren! Die Schlacht ist vorbei!“
Ich nickte benommen. Wir hatten tatsächlich gewonnen und die Lugaruu waren zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit besiegt worden!

Weit oben und tief unten
Laura Schnell, Jgst. 7
Laura

Der Astronaut blickt aus dem Fenster der Raumstation. Seit drei Monaten ist Jacob Nilson nun schon im All und betrachtet in Moment wieder mal fasziniert die Erde. Wie traumhaft das alles aussieht von so weit entfernt, aus dem All. Die schönen Farben der Meere und die naturfarbenen Kontinente, alles sieht so friedlich aus von hier. Er denkt an seine liebe Frau und seine süße kleine Tochter, die dort unten irgendwo sind. Vielleicht lachen sie gerade oder sind traurig?

Er weiß es nicht. Anfangs wollte er nicht ins All, aber nach intensiver Überzeugungsarbeit seiner Frau entschied er sich doch seine wahrscheinlich einzige Chance zu nutzen und als einer der wenigen Menschen der Welt ins All zu fliegen. Doch jetzt blickt er auf diesen fantastischen Planeten, der seine Heimat ist und auf gigantische Wolkenberge und den ruhenden Mond, der die eine Hälfte der Welt bescheint. In seiner Heimat wäre er nun gern, aber hier bewegt er sich in der Schwerelosigkeit und schaut auf sie hinunter…
 
Jacques Pertin durchsucht gerade die Überreste seines Hauses, nach nützlichen Gegenständen, die ihm beim Überleben helfen könnten. Vor fünf Tagen erschütterte das schwerste Erdbeben seit Menschengedenken seine Heimat. Die meisten Häuser sind zerstört und überall liegen Schutt und Trümmer auf den Straßen. Die meisten Leichen wurden schon von den Straßen entfernt, doch der penetrante Geruch
lässt vermuten, dass sich noch viele Tote unter den Trümmern befinden.


Mit seinem Fund, drei Töpfen und zwei Schalen, macht er sich auf den Weg zur Notunterkunft, in der er und seine Frau untergebracht sind.

Seine Tochter Ella war während des Erdbebens nicht zu Hause, seitdem gilt sie als vermisst. Seine Frau hat die ersten drei Tage nur geweint. Für Jacques und seine Frau war Ella ihr einziges Kind. Auf dem Weg zur Notunterkunft schaut Jacques nachdenklich in den Himmel.

Dort hat er eben ein kurzes Funkeln gesehen, so wie eine Sternschnuppe, vielleicht aber auch Raumstation? Er schließt die Augen und das Einzige, was er sich wünscht, ist seine Tochter wieder zu finden, lebend. 

Ausflug in eine andere Welt





Julian Beck., Jgst. 7
Julian
Es war mal wieder ein vollkommen unbedeutender Tag in meinem Leben. Meine Eltern stritten sich, mein Bruder, wenn er mich einmal nicht haute, war mit seinem Freund unterwegs. Bello, mein doofer langweiliger Hund , schlief an seinem Lieblingsplatz im Garten. Außerdem wohne ich seit meiner Geburt in einem kleinen bedeutungslosen Dorf, in dem außer mir, meinem Bruder und dem Freund meines Bruders, keine Kinder wohnen. Deshalb hatte ich kaum einen richtigen Freund in meinem Alter. Klar, fast alle alten Leute waren nett, aber es ist nicht dasselbe.


Wie immer an solchen Tagen konnte ich mich nur noch meinen Büchern widmen. Deshalb packte ich das Buch, das ich gerade las, ein und machte mich auf zu meinem Lieblingsplatz auf unserem Dachboden, der ruhig und friedlich war. Gerade als ich mich in den alten Ohrensessel setzte und zu lesen anfangen wollte, hörte ich zwei Sachen. Erstens das allmählich lauter werdende Schreien meiner Eltern, das Geräusch war allerdings vollkommen normal. Das zweite Geräusch war allerdings seltsam, es klang als ob jemand gegen eine Tür kratzt. Ich wollte es erst ignorieren, aber es wurde immer eindringlicher. Also ging ich auf dem Dachboden auf und ab, um herauszufinden woher das Geräusch kam. Es schien, als ob das Geräusch aus dem alten Wandschrank kam. Deshalb öffnete ich den Schrank, der aber komplett leer war. Das Schaben war jetzt lauter als zuvor. Es schien nun, als ob der Laut von hinter dem Wandschrank kam. Nur leider war der Schrank ein gutes Stück größer als ich, dennoch versuchte ich jetzt den Schrank weg zuschieben. Zuerst gelang es mir nicht. Als ich schon aufgeben wollte, schien mir irgendwer zu helfen, denn der Schrank rutschte nun viel leichter über den Boden und fast die ganze Wand hinter ihm kam zum Vorschein. Aber das, was ich erblickte, konnte nicht sein.


 Hinter dem Schrank war eine Tür und jetzt hörte ich ganz deutlich, dass das Geräusch von hinter der Tür kam. Als erstes bekam ich es mit der Angst zu tun, aber dann überlegte ich mir: „Was ist hinter der Tür, vielleicht ein Ungeheuer wie in einem meiner Bücher, das mich frisst? Außerdem, warum ist eine Tür hinter einem Schrank versteckt, versteckt man vor mir irgendetwas? Aber wahrscheinlich ist der Raum hinter der Tür nur eine Abstellkammer, in der sich eine Maus eingenistet hat.“ Obwohl ich es seltsam fand und es mir Angst machte, siegte meine Neugier. Ich legte meine Hand auf die Türklinke und drückte sie herunter. Die Tür schwang problemlos auf. Als ich durch die Tür ging, wusste ich noch nicht, dass das, was hinter der Tür lag, mein Leben verändern würde.

Ich fand mich in einem Raum wieder, der genauso aussah wie unser Dachboden bis auf die Farben des Ganzen, diese schienen viel leuchtender oder bunter zu sein. Alles war ganz genau gleich. In der einen Ecke stand der alte Sessel, in der anderen der uralte Plattenspieler meines Vaters. Es war kein Geräusch zu hören. Wahrscheinlich ging ich aus reiner Neugier die Treppe runter. Als ich in der Küche ankam, sah ich meine Eltern, meine Mutter am Herd und meinen Vater am Tisch mit der Zeitung. Meine Mutter hörte, dass ich herein kam und drehte sich zu mir um. Ich erschrak, das konnte nicht sein. Die Frau, die da stand, konnte nicht meine Mutter sein, sie hatte anstatt Augen Spiegelscherben .Als ich erschreckt irgendein Geräusch von mir gab, drehte sich auch mein Vater zu mir um. Er hatte genauso Spiegelscherben wie meine Mutter.

Zu meiner Verwunderung sagte die Frau, die wie meine Mutter aussah, freundlich: „Schatz, willst du dich nicht setzen. Ich habe einen Kuchen für dich gebacken.“ Obwohl ich schockiert war, setzte ich mich auf einen Stuhl. Die Frau stellte einen lecker riechenden Kuchen vor mir ab. „Du kannst ihn alleine essen, deine Mutter backt noch einen“ ,sagte jetzt der Mann, der aussah wie mein Vater. Alles wirkte sehr merkwürdig, aber ich probierte ein Stück Kuchen. Dieser schmeckte so unglaublich gut, dass ich mir nach dem ersten Stück gleich noch eins nahm. Während ich aß, kam mein Bruder zur Tür herein, auch er hatte Spiegelscherben statt Augen.Er fragte freundlich: „Na, schmeckt der Kuchen, kleiner Bruder?“ Ich war so erstaunt, dass ich nicht antworten konnte. Ich dachte mir nur: „Meine Eltern vertragen sich, meine Mutter, also die Frau, die sich für meine Mutter hält, backt mir Kuchen. Wenn jetzt auch noch mein Bruder mich nicht als Begrüßung haut, ist diese Welt perfekt.“


Obwohl ich verwirrt war, blieb ich den Rest des Tages in der anderen Welt und schlief auch dort in einem Zimmer, das genauso aussah wie mein eigenes.Als ich am nächsten Tag erwachte, war es schon hell. Ich lief die Treppe so schnell herunter wie ich konnte um zu sehen, ob die Leute, die dachten sie wären meine Familie, immer noch da waren oder ich mir alles nur eingebildet hatte. Sie waren da. Alle gemeinsam saßen sie am Tisch und frühstückten. Als sie mich sahen, begrüßten sie mich freundlich und die Frau stellte einen Kuchen auf den Tisch mit den Worten: „Den habe ich extra für dich gemacht.“ Ich setzte mich einfach hin ohne zu antworten und aß den leckeren Kuchen. Der Rest des Frühstücks verlief ereignislos und auch den übrigen Tag waren die Leute damit beschäftigt Nettigkeiten auszutauschen, ansonsten passierte nicht viel. Jeder Tag verlief jetzt vollkommen unverändert. Allmählich wurde es langweilig den Leuten beim Austauschen ihrer Liebenswürdigkeiten zuzuhören. Irgendwann fiel mir auf, dass ich immer mehr an meine richtige Familie zurück dachte.



 Erst am Samstag dieser Woche passierte etwas Aufregendes und zugleich Schreckliches. Als ich in die Küche kam, saß niemand am Tisch. Aber plötzlich kam meine Mutter, allmählich bezeichnete ich sie so, glücklich strahlend auf mich zugelaufen und sagte: „Heute ist endlich dein großer Tag gekommen. Du bekommst deine eigenen Spiegelaugen. Wir müssen sie dir nur noch schnell einsetzen, aber das tut kaum weh. Danach wirst du viel freundlicher und glücklicher werden.“ Im ersten Moment konnte ich mich nicht rühren. Ich dachte mir nur: „Ach, deshalb sind sie so friedlich, weil sie Spiegelscherben statt Augen haben. Aber meine Augen kriegen sie nicht. Ich will nicht den ganzen Tag nur herum sitzen und irgendetwas Nettes sagen müssen. Ich muss aus dieser Welt weg, aber wie? Ist die Tür auf dem Dachboden offen?“



Ich wollte mich gerade umdrehen, als ich aus den Augenwinkeln sah, wie mein Bruder und mein Vater, also der Junge und der Mann, die wie mein Bruder und mein Vater aussahen, in die Küche kamen. Jetzt war die Flucht nach oben der einzige Weg.  Also rannte ich so schnell mich meine Beine trugen Richtung Dachboden, aber die Spiegelscherbenfamilie war auch schon auf der Treppe. Sie riefen mir nach, ich solle stehen bleiben. Jetzt war ich an der Tür zum Dachboden angekommen und versuchte sie zu öffnen. So ein Glück, sie ging auf. Plötzlich aber verfing sich mein Fuß an der ersten Stufe und ich fiel hin. Mein rechter Arm schlug hart auf eine Stufe auf und blutete sofort. All das war mir jetzt aber egal, denn die Spiegelscherbenfamilie war fast bei mir. Mit einem Sprung war ich wieder auf den Beinen und rannte den Rest der Treppe hoch. Mein Arm pochte stark. Endlich war ich am Dachboden angekommen. Ich rannte zur Tür, die wie ich hoffte mich wieder in meine Welt zurück bringen würde. Doch als ich an der Tür rüttelte, ging sie nicht auf. Egal was ich versuchte, sie blieb verschlossen.

Nun war auch die Familie oben. Ich war mir sicher in ihren Gesichtern mit ihren ausdruckslosen Spiegelscherbenaugen eine grausame Freude zu erkennen, weil sie mich jetzt in die Ecke gedrängt hatten. Ich sank kraftlos in mich zusammen. Als sie sich mir näherten, dachte ich mir nur noch: „Alles wäre nie so weit gekommen, wenn ich gleich aus dieser Welt verschwunden wäre. Ich hätte bei meiner normalen, nicht langweiligen Familie ohne Spiegelaugen bleiben sollen, weil sie doch meine richtige Familie ist.“ In diesem Moment wurde mir klar, dass ich meine Familie liebte wie sie war. Als ich meine Augen, die ich vor lauter  Angst geschlossen hatte, aufmachte, fand ich mich in meinem Bett wieder.

Es war schon helllichter Tag. Ich sprang aus dem Bett, aber mein Zimmer sah vollkommen normal aus. Das hieß nicht viel, denn in der anderen Welt sah es ja genauso aus. Sofort rannte ich die Treppe runter. Am Küchentisch saß meine Familie, die ohne Spiegelscherben. Als ich erkannte, dass ich wieder in meiner Welt war, jubelte ich. Mein Bruder sah mich seltsam an, als ich ihn umarmte. Wahrscheinlich war er zu verwirrt zum Zuschlagen. Als ich Bello ein Stückchen Wurst aus dem Kühlschrank gab, leckte er  mir begeistert die Hand.

Von nun an probierte ich viel mehr mit meiner Familie zu unternehmen statt mich hinter meinen Büchern zu verstecken. Also hatte die verdrehte Welt immerhin eine gute Sache gehabt, denn ich hatte eingesehen, dass ich meine Familie liebe wie sie ist. Allerdings habe ich seit dem merkwürdigen Traum, falls es einer war, eine lang gezogene Narbe am Unterarm, für die ich keine Erklärung habe.  Den Schrank auf dem Dachboden versuchte ich nie wieder zu bewegen.
Webteam, 20.4.2010