
Nach Tagen und Wochen, in denen kein Blick in die Zeitung, kein Anschalten des Fernsehers ohne die Erwähnung der anstehenden US-Wahl auskam, nachdem auch hier jedes Detail des aus der sachlich geprägten politischen Öffentlichkeit Europas so aufgeblasen erscheinenden Wahlkampfes zwischen Mitt Romney und Barack Obama abgehandelt und besprochen war, kam es nun, traditionell am ersten Dienstag im November, dem 6.11.12, zur Entscheidung über den zukünftigen Bewohner des Weißen Hauses.
Eben dieser Entscheidung durften wir in original-amerikanischem Flair inklusive Buttons, Brownies und üppiger blau-weiß-roter Dekoration zusammen mit amerikanischen Diplomaten und Politikbegeisterten beiwohnen und damit auch die Entwicklung von gespannter Erwartung bei den ersten Hochrechnungen um ca. 00:30 CET hin zu überschwänglicher Freude bei den anwesenden Demokraten sowie tiefer Enttäuschung bei den Republikanern ab ca. 5:20 mitmachen und erleben, als die Wiederwahl Obamas feststand. In diesen knapp fünf Stunden herrschte im English-Theatre Frankfurt, das als Räumlichkeit diente, eine ähnliche Atmosphäre wie beim mittlerweile deutschen Kulturgut Public-Viewing - jedes vorläufige Wahlergebnis der einzelnen Staaten wurde mit einem emotionalen Spektrum von Beifall bis verzweifeltem Haareraufen entgegengenommen und schon Sekunden später angeregt diskutiert. So kam es mit näher rückender Entscheidung nicht nur zu mehr Klarheit über den Wahlausgang, sondern auch zu der Erkenntnis, dass Politik in den USA "slightly different" wahrgenommen wird als in Deutschland, wo dieser Grad an Unterhaltung wohl zuletzt 2005 durch Gerhard Schröders Auftritt in der Elefantenrunde geboten war.
Die mit den Elefanten des amerikanischen Parteisystems sympathisierenden Besucher der "Election Night" zeigten zwar beim Verlassen des English Theatre keine Mienen, die auf gute Unterhaltung im Innern schließen ließen, doch diese gab es fraglos. Denn, wer bei der Anreise einen vielleicht aus Deutschland gewohnten langweiligen Abend mit trockenen Auswertungen erwartete, irrte. Zwar lieferte das Programm der CNN die Fakten, doch es fanden sich enorm viele potentielle Gesprächspartner, bei denen man auch auf fast ebenso viele Auslegungen dieser Fakten sowie politische Hintergründe stieß. Und nicht nur das sorgte dafür, dass viele die Nacht überstanden, ohne die Müdigkeit siegen zu lassen. Denn auch viele Charaktere, die am Ende jubelnd und "four more years" schreiend dem Theater ganz kurzzeitig nahezu zu Stadionatmosphäre verhalfen, entsprachen oft auch nicht wirklich den Erwartungen, die man an eine von einem Konsulat ausgerichtete Wahlnacht hat.
So wirkten die Metalldetektoren an den Eingängen zwar typisch amerikanisch, förmlich und offiziell, umso lockerer war jedoch auch die gesamte eigentliche Veranstaltung und bot damit einen erfrischenden Höhepunkt der Aufmerksamkeit der US-Wahl, die in den letzten Tagen und Wochen doch sehr aus trockener Materie bestand - und in nächster Zeit wohl auch noch in Form von Deutungen bestehen wird. (Tim Großheimann)

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