Friedrichs Flucht
 
Was könnte Friedrich auf der Flucht alles erlebt haben? 

Nur die wichtigsten Dinge nahm Friedrich mit sich: Dinge, wie etwas Geld und etwas zu essen. Noch einmal sah er sich in dem Haus um, in dem er die meiste Zeit seines Lebens verbracht hatte, dann zog er die Tür hinter sich zu. Schnell ging er, rannte fast, zu Johannes. Er wusste nicht, warum er ihn dabei haben wollte. Vielleicht weil Johannes inzwischen doch so etwas wie ein Freund geworden war. Eine halbe Stunde später war er auch schon bei Simons Haus. Eilig ging er zu der kleinen Kammer, in der Johannes hauste. Er erklärte seinem Freund hastig, dass dieser unbedingt mitkommen müsse. „Warum denn? Was hast du denn getan?“, fragte Johannes misstrauisch. Friedrich murmelte nur etwas von „Holzfrevel“ und „was weiß ich“ und befahl Johannes dann mit drohender Stimme mitzukommen. Johannes gab nach und ging mit. Friedrich war der einzige, der jemals so etwas wie ein Freund war. Mit schnellen Schritten flüchteten sie durch den Wald, wohin wussten sie nicht. Hauptsache, weit weg vom Dorf B. 


Nach fünf Tagen begann das Essen knapper zu werden. Johannes klägliche Versuche einen Hasen zu erlegen waren gescheitert und Wasser hatten sie seit einem Tag nicht mehr gehabt. Sie wussten auch nicht, wie weit sie inzwischen gekommen waren und ob die anderen sie so weit mitverfolgten. Wahrscheinlich nicht. Friedrich wurde zusehends mürrischer. Seit fünf Tagen hatte er keine ruhige Nacht mehr gehabt. Seit fünf Tagen ging ihm dieser tölpelhafte Johannes mit seinen Jagdbemühungen nun schon auf dem Geist. 
Friedrich und Johannes waren nach Süd-Osten gewandert und näherten sich nun einem kleinen Dorf. Abends kamen sie todmüde bei diesem an. Sie gingen zu dem ersten Haus, in dem noch Kerzen in der Stube angezündet waren, und klopften vorsichtig an. Erst beim dritten Mal machte ein misstrauischer Herr die Tür auf und fragte, wer sie seien. „Wir haben seit fünf Tagen kaum geschlafen, kaum etwas getrunken und haben Hunger. Bitte, gebt uns eine Bleibe für diese Nacht!“, sagte Friedrich mit einer kleinen demütigen Verbeugung. „Ich habe nicht gefragt, was ihr wollt, sondern wer ihr seid!“ „Ich bin Friedrich Mergel und komme aus dem Dorfe B. Das ist Johannes, ein Freund von mir. Er kommt ebenfalls aus B.“, antwortete Friedrich. Der dicke Herr beäugte sie kurz, murmelte „Kein Platz!“ und schloss die Tür krachend. So ähnlich erging es den beiden auch bei vier anderen Häusern, dann erst machte eine Dame Platz in ihrem Haus für sie.


Nach zwei Monaten waren sie in einem anderen Land angelangt; welches es war, konnte weder Friedrich noch Johannes sagen. Nur eines war gewiss: Sie verstanden kein Wort. Trotzdem versuchten sie zu überleben, stahlen dann und wann Nahrungsmittel oder machten sehr einfache Arbeiten wie die Straße kehren, um Geld zu verdienen. Inzwischen waren die beiden Ausreißer sehr abgemagert. Friedrich vermisste B. Auch verstand er sich immer weniger mit Johannes. Er war zu keiner Arbeit gut – nicht zum Klauen, nicht für andere ehrliche Arbeiten. Er machte alles kaputt! 
Drei weitere Monate später waren sie in einem sehr heißen Land angekommen. Die Bewohner waren äußerst unfreundlich, doch nahm sie jemand von ihnen auf. Sie arbeiteten und wohnten bei ihm. Johannes wurde langsam aber sicher zum Lieblingsjungen seines Herrn. Friedrich fand dies äußerst ärgerlich. 
Johannes machte seine Arbeit gern und gut, während Friedrich eher schluderig war und einiges vergaß zu tun. 


Eines Abends, als der Herr Johannes mal wieder ausführlich gelobt hatte, ging Friedrich neben Johannes eine dunkle Gasse entlang und half ihm eine schwere Kiste zu tragen. Friedrich ließ plötzlich und ohne jeden Grund die Kiste am anderen Ende los. Das Gewicht war zu schwer für Johannes und er musste sie fallen lassen, wobei innen ein lautes Klirren zu hören war. „Friedrich!! Warum...!“ „Ach halt deinen Mund. Dir wird er sowieso nichts tun! Du bist doch sein Lieblingsjunge! Du bist doch derjenige, in den er sein Geld steckt! Das reicht mir langsam! Du bist nicht besser als ich! Du bist ein kleiner Waschlappen, der zu nichts zu gebrauchen ist!“, Friedrich riss die Kiste auf, nahm eine Glasstange zur Hand und ging drohend damit auf Johannes zu. Johannes wich zurück: „Du…du weißt nicht, was du da tust…“ „Oh, doch! Das weiß ich! Stirb, du elender Bastard!!“ Mit diesen Worten sprang Friedrich vor und ließ die Glasstange auf Johannes Kopf niedersausen. Johannes war sofort tot.


Trotzdem drosch Friedrich noch einige Male auf ihn ein, zerrte ihn dann zum Fluss und schmiss ich  hinein. „Das hast du nun davon…“, murmelte Friedrich und ging zurück zu seinem Herrn. Die Geschichte, die er ihm erzählte, war natürlich eine ganz andere. Sie seien von Räubern angegriffen worden und als sie die Kiste nicht gleich geben wollten, da hätten die Räuber Johannes gepackt und ihn getötet. Der Herr glaubte ihm. Doch war Friedrich noch immer nicht sein Lieblingsjunge und er würde es auch nie sein.
Jahre später fasste Friedrich den Entschluss nach „Hause“ zu gehen. Aber ihn würden sie nicht freudig begrüßen. Und er sah Johannes sehr ähnlich. Also beschloss er, sich als Johannes auszugeben und zurückzukehren.


   
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