Was träumt Friedrich in der Todesnacht
des Vaters ?
Das Dorf was leer.
Wo waren die Bewohner? Friedrich lief in Dorf B. herum, aber alles wirkte
verlassen. Die Straßen waren brüchig, die Häuser verkommen,
die Gärten verwelkt. Alle sahen sie aus wie sein eigenes. Es war düsterer
als sonst in diesem Dörfchen, alles wirkte trostloser als sonst,
wenn dies überhaupt möglich war. In einer besonders dunklen
Gasse hörte Friedrich ein helles Kinderlachen. Vorsichtig spähte
er hinein. Eine Horde Kinder in seinem Alter spielten Fangen und sie liefen
nicht weg! Erstaunt ging Friedrich näher. Sonst liefen die Kinder des
Dorfes meist weg und riefen: „Der Friedrich kommt, lauft, lauft, sonst holt
euch der Sohn des Trunkenboldes!“, doch diesmal spielten sie weiter, beachteten
ihn gar nicht. Es schien sogar, als hätten sie ihn nicht einmal bemerkt.
Zögernden Schrittes ging Friedrich weiter. Einige der Kinder kannte er
vom Namen, andere vom Sehen und wieder andere waren ihm vollkommen unbekannt.
Als er näher kam, verblassten die Körper plötzlich. Erschrocken
lief Friedrich los, nein, dieses Mal wollte er mitspielen, aber je näher
er den Kindern kam, desto mehr verblassten ihre kleinen Körperchen. Als
die letzten schließlich verschwunden waren, lief Friedrich weiter. Die
Gasse schien kein Ende nehmen zu wollen, als plötzlich ein Schatten auftauchte.
Ruckartig blieb Friedrich stehen. Eine rote Gestallt entwickelte sich. Sie
erinnerte ihn an jemanden. Dann entsann sich Friedrich, es war der Teufel,
er hatte ihn aus Darstellungen in Erzählungen erkannt. Aber was wollte
der Teufel hier? Hier von ihm? War er ein Sündenbock gewesen und kam,
um ihn zu holen? Ein eisiges Lachen erklang. Der Teufel lachte, er lachte
ihn aus. Friedrich schnürte es die Brust zu, er konnte kaum noch atmen.
Er begann zu röcheln und fiel auf den Boden. Seine Glieder schmerzten,
seine Muskeln bekamen allesamt einen Krampf. Wenn dies ein Traum war, tat
er verdammt weh. Doch schließlich verwandelte sich die unerbittliche
rote Gestalt wieder, bis seine Mutter vor ihm stand. Sie lächelte ihn
an. „Ich habe dir doch gesagt, er kommt dich holen, wenn du nicht ruhig bist.
Du warst nicht ruhig genug.“, fügte sie mit zuckersüßer Stimme
hinzu. Friedrich lief ein Schauer über dem Rücken. Wer war diese
kalte Person, bei deren bloßem Anblick er eine Gänsehaut bekam?
Das war nicht seine Mutter.
Seine Mutter, jedenfalls
dem Aussehen nach, drehte ihm den Rücken zu und ging in die Dunkelheit.
Anstatt ihrer kam Friedrichs Vater aus dem Dunkeln der Gasse. Er lallte
etwas und fiel Friedrich dann zu Füßen. Sein leises, gleichmäßiges
Schnarchen war in der Dunkelheit zu hören. Vorsichtig stand Friedrich
wieder auf, drehte sich um und wollte wegrennen, doch da stand plötzlich
wieder der Teufel vor ihm. Erschrocken schrie er auf und rannte in die
andere Richtung, doch auch dort traf er auf ein Hindernis. Ein harter Körper
versperrte ihm den Weg. Als Friedrich ängstlich aufsah, sah er in
das finster grinsende Gesicht seiner Mutter. Sie schubste ihn zurück
zum Teufel, der ihn dann auch sogleich festen Griffes an den Armen fasste
und somit daran hinderte zu fliehen. Friedrichs Mutter hielt auf einmal ein
Messer in den Händen, noch immer grinste sie. Mit der Spitze zielte
sie auf Friedrich. Wie erstarrt sog Friedrich die Luft ein. Entsetzen
spiegelte sich auf seinem Gesicht wieder. Doch dann wechselte die Spitze
des Messers ihre Position. Friedrich wollte schon aufatmen, als er bemerkte,
dass seine Mutter auf seinen Vater zuging. Sie hob seinen Kopf an und
setzte das Messer an seine Kehle. Friedrich wollte schreien, doch durch
den Schmerz brachte er kein Wort zustande. Als seine Mutter den gefährlichen
Schnitt vollendete und somit Friedrichs Vater das Leben nahm, schrie Friedrich
nun doch, er schrie aus Leibeskräften, immer wieder schrie er „Nein!
Nein! Nein!“, doch es war zu spät: Er saß in einer Blutlache,
in der Blutlache seines Vater. Seine Mutter hatte ihn umgebracht. Diese
und der Teufel waren verschwunden. Friedrich war alleine, alleine gelassen,
verraten.
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