Ein Essay von Yassin El Manfalouty
Nachdem der letzte Politische Salon eher monothematisch ausgerichtet war, indem er die konservative Betrachtungsweise der Bildungspolitik zum Thema hatte, versprach man sich vom 14. Salon mit Gregor Gysi neue Denkansätze. Wer sich das erhoffte, wurde auch wahrlich nicht enttäuscht.
Dr. Gysi bei seiner Ankunft, begleitet von Frau Höreth-Müller und den Moderatoren
In seiner Rede sprach der Oppositionsführer natürlich, wie sollte man es auch anders erwarten, zu aller erst vom Kapitalismus. Der Kapitalismus wäre in Sachen Effizienz und Fortschritt zwar unschlagbar, aber dafür im Gegensatz zum Sozialismus schlichtweg unfair. Außerdem wäre der Kapitalismus unfähig Frieden zu sichern. Da frage ich mich, wie wir es in Europa so lange geschafft haben, entweder sind wir keine Kapitalisten oder es gibt irgendwo in der Welt Stellvertreterkriege, was aber eher unwahrscheinlich ist. Das heißt, Krieg ist nicht das Symptom des Kapitalismus, er ist ein Faktor der ihn fördert, aber nicht durch den Kapitalismus ausgelöst wird. Es stimmt zwar, dass Kriege immer mehr dazu tendieren, wirtschaftliche Interessen zu bedienen, aber der Krieg in der Ukraine ist ein klassischer Krieg um Territorium, ob Kapitalismus oder Sozialismus spielt keine Rolle. Das Einzige am Kapitalismus, das Krieg auch wirklich fördert, ist, dass er als Profitquelle angesehen wird, und nicht als Krieg. Auch sehe ich keinen Beweis dafür, dass im Sozialismus nicht genauso Krieg geführt wird, wie sonst auch. Natürlich kam Herr Gysi dann auch auf die deutschen Rüstungsexporte zu sprechen, für ein Land in dem der Faschismus wütete, wie sonst nirgendwo, wäre es ein Skandal drittgrößter Exporteur zu sein. Da hat er Recht. Oder ist es inzwischen normal geworden am Tod anderer zu verdienen? Diese Frage sollte sich jeder Wähler der CDU mal stellen.

Impulsreferat
Natürlich äußerte er nicht nur Kritik, sondern auch Alternativen zur heutigen Politik, die zum Glück ja nicht alternativlos ist. Einmal wäre essentiell für Deutschland, dass endlich wieder Chancengleichheit herrscht, besonders im Bildungssektor. Als Schüler kann ich ihm da auch nur zustimmen. Wenn ich mich für mein zukünftiges Studium informiere, sehe ich dass ich dann entspannt die Nachtschicht arbeiten darf, weil ich mein Studium ja auch irgendwie finanzieren muss. Dabei hat natürlich jeder, der von seinen Eltern bezahlt wird einen ungeheuren Vorteil dadurch, dass er mehr Zeit zum Lernen und Regenerieren hat. Wie löst man das also? Nicht mit der makabren Freude eines Finanzministers über einen ausgeglichenen Haushalt. Man muss weg von dieser Politik des Verschiebens und versuchen Probleme zu lösen, zum Beispiel mit einer progressiven Vermögenssteuer, aber da war ja die Reichenlobby im Bundestag. Daneben prangerte er auch das Umweltproblem an, das Wirtschaften als gäbe es keinen Morgen. Doch den gibt es, es ist grade Sonnenaufgang. Bald sind wir an einem „Point of no Return“ angelangt, an dem man genauso gut einen neuen Planeten suchen könnte. Und doch gibt es noch keine Wechselstimmung im Volk, sagt Herr Gysi und belegt dies mit den Wahlen. Aber wieso? Ist die Lage denn noch nicht schlimm genug? Schlimm ist sie schon, aber noch nicht präsent in unseren Köpfen. Wie denn auch, wenn in den staatlichen Sendern grade die 4000.Folge von „Rote Rosen“ gesendet wird? Wenn man sich anschaut wer dort im Fernsehrat vertreten ist, ist das auch kein Wunder.

Der Oppositionsführer im Deutschen Bundestag: Dr. Gregor Gysi
Dann der Skandal um die NSA. „Duckmäuserisch“ sagte Herr Gysi zum Verhalten unserer Kanzlerin. Ich sage, es grenzt an Landesverrat, diesen Skandal bewusst nicht aufzuklären und Snowden Asyl zu verwehren, wozu sich Herr Gysi leider nicht geäußert hat. Trotzdem sollte es zu denken geben, wenn Herr Pofalla aus heiterem Himmel den Skandal unter den Teppich kehren wollte. Sind etwa Mitglieder der Regierung darin verstrickt? Oder doch lieber ein paar Vorträge in Langley? Dieser Skandal trieft vor Lügen und Feigheit, nur will niemand nachschauen woher das kommt. Zurück zu Gysi und den USA. Er meint Respekt muss man sich verdienen, indem man den USA deutlich zeigt, wie man Spione behandelt. TTIP aussetzen. Botschafter einbestellen und Personal ausweisen. Die Folge: Respekt. Wir würden nicht mehr als Juniorpartner der USA angesehen, der sich, wie mit dem Irak-Krieg, kleine Fehltritte erlaubt, wir würden als ebenbürtiger Gegner angesehen werden, was immer noch eine Verbesserung zum jetzigen Status wäre.
Talk mit den Moderatoren
Das sehe ich genauso, denn für Spionage gibt es keine Entschuldigung. Jeder der mir etwas von Terrorgefahr etc. erzählen möchte, sollte sich fragen, ob das nicht ganz klar Ausreden sind, die wir nur aus einer düsteren Zeit der deutschen Geschichte kennen. Außerdem braucht Europa die USA nicht. Wir können auch autonom existieren, die Partnerschaft war ja anscheinend sowieso nur einseitig. Das würde die Bevölkerung nicht begreifen und dadurch keinen Druck auf die Regierung erzeugen. In diesem Zusammenhang sprach er auch von der Ukraine. Militärische Aktionen würden Terrorismus hervorrufen. Das ist nicht falsch, aber durch Diplomatie hat man noch keinen Eroberungskrieg gelöst. Deshalb ist hier der uneingeschränkte Pazifismus etwas fehl am Platz. Genauso wie beim Anschaffen von bewaffneten Drohnen. Mein einziger Kritikpunkt dabei ist nicht, dass Töten unpersönlich gemacht wird, das ist es jetzt schon, sondern, dass israelische Drohnen gekauft werden sollen. Würden wir von den USA kaufen, wissen wir wenigstens, das wir mit dem Geld ausspioniert werden...

Salon pur
Zurück zur Sozialpolitik. Es wäre inakzeptabel, dass manche in der CDU fordern, man solle den Hartz-IV Empfängern Leistungen streichen, obwohl sie wirklich überhaupt nichts mit der Krise zu tun haben, stattdessen sollten die Ackermänner dieser Welt für ihre Fehler zahlen. Richtig so. Wie in aller Welt kommt man denn auf die Idee an den Sozialleistungen zu kürzen, wenn es ganz einfach über Zwangsabgaben der Schuldtragenden gehen würde? Weil aufgrund dieser etwas zweckmäßigeren Idee sofort wieder der Kommunismus-Alarm zu schrillen beginnt. Dabei hilft es auch nicht, wenn Herr Gysi sagt, dass der Staat die Sozialleistungen verstärken muss, zum Beispiel bei Kindertagesstätten. Wie Herr Gysi sagt, es ist noch keine Wechselstimmung da. Selbst die SPD war dazu ja noch nicht bereit und wurde lieber Juniorpartner der CDU, offenbar aus Furcht vor neuen Ideen.
Trotzdem schaffte Herr Gysi es immer wieder frenetischen Applaus in den Gästen hervorzurufen, doch ist die Meinung anscheinend noch lange nicht maßgeblich für das Wahlergebnis. Leider. Denn die Ideen, die er äußerte waren erstklassig, zumindest wenn man sich nach links öffnet, und sind insofern realitätsnah, dass sie eine Alternative zur Lobbypolitik Merkels darstellen.
Dr. Gysi mit Stefan Trier, Jörg Couturier und Mitgliedern des Leitungsteams
Fotos: Florian Ulrich (fus.photodatabase.de)